‚Am heutigen Dienstag ~ wird am südlichen Ende der Fußgängerzone Marktstraße ein
neuer gastronomischer Betrieb eröffnet.
Im alten Wachthaus, das bis Mitte 1975
Sitz des Kirchheimer Polizeireviers war
und in dessen Arrestzelle in den vergang-
enen Jahrzehnten mancher Bruder
Leichtfuß seinen Rausch ausschlief, sollen
Frohsinn und Gemütlichkeit einziehen.“
So berichtete der Teckbote am
Dienstag, 8. Februar 1977.
Was Daniel Rau an diesem Tag gemacht
hat, ist nicht überliefert. Dass er ein viertel
Jahrhundert später Geschäftsführer im
Erdgeschoss des Wachthauses werden
würde, hat er zu diesem Zeitpunkt auch
noch nicht gewusst. Wahrscheinlich hat er
an jenem Februartag im elterlichen Gast-
hof mit einer angeschlossener Schinken-
räucherei in der Nähe Pforzheims mitge-
holfen, 1965 in Stuttgart geboren, ist er im
nördlichen Schwarzwald aufgewachsen,
1980 vorschlug es ihn nicht zuletzt wegen
seiner Ausbildung auf die Wirtschafts-
schule nach Kirchheim, um anschließend
das Fleischerhandwerk von der Pike auf
zu lernen. Doch schon während seiner
Schul- und Lehrzeit arbeitete er an den
Wochenenden im damals schon längst
über Kirchheims Grenzen hinaus bekann-
ten Wachthaus — um etwas dazu zu ver.
dienen.
Gepachtet hatten damals das Wachthaus
die beiden Gastronomen Heinz Piber und
Heinz Maurer, Sie beauftragten einen
Kirchheimer Architekten mit dem Umbau.
Es gelang, im Einvernehmen mit dem
Landesamt für Denkmalpflege und dem
Hochbauamt, dieses alte unter Denkmal-
schutz stehende Gebäude äußerst vor-
sichtig und stilgerecht seiner neuen
Bestimmung zuzuführen.
Äußerliche Veränderungen traten nur
wenig in Erscheinung. Lediglich die Fach-
werkfassade des Gebäudes, das besonders reizvoll den Zugang von der Alleenstraße
in die obere Marktstraße flankiert,
wurde seinerzeit renoviert — und das
Haus erhielt zudem einen neuen Anstrich.
Am vorderen, ältesten Teil aus dem 16.
Jahrhundert wurde zur alten Marktstraße
ein neues Wirtshausschild‘ angebracht.
Dies stammt von der ehemaligen
„Traube“. In Richtung Schlossgraben
hatte der alte Bauteil dann noch drei
Anbauten gehabt, die später entstanden
waren. Der Aüßerste wurde abgebrochen,
um den Zugang zum Kinderspielplatz im
Schlossgraben freizugeben, die beiden anderen sind Bestandteile der Lokalität geworden.
Türhohe Flügelfenster prägen das Bild Richtung Biergarten. Zwei davon geben den Austritt vom Lokal auf die Café-
Terrasse frei, die während der Open-Air-
Saison einer der beliebtesten Treffpunkte
Kirchheims darstellt.
In den Innenräumen wurde so weit wie
möglich das alte Fachwerk, welches aus
handbehauenen, geflößten Eichenbalken
besteht, freigelegt. Auf diese Weise sind
Räume und Raumaufteilungen entstanden,
die einen durchaus spätmittelalterlichen Eindruck aufkommen lassen. Zuerst
war im Obergeschoss des Wachthauses
ein österreichisches „Nobelheurigen
Weinlokal“ angesiedelt. Doch bereits
zehn Jahre später wurde Tindaro Adornetto
mit der Bewirtschaftung des Restaurants betraut, der seinen sizilianischen Ursprung mit vielen Pasta und Fischgerichten ein-
brachte. Das Ristorante bietet neben der gehobenen italienischen Küche auch Pizzen an und ist bekannt für sein sehr gutes Weinangebot, wobei die Weine oft selbst aus der Toscana und aus dem Piemont importiert werden. Die Einrichtung besteht aus englischen Bauernmöbeln und bietet 50 Restaurantbesuchern Platz.
Das Bistro hat sich mit Bar und Biergarten
zu einem Treffpunkt für Jung und Alt ent-
wickelt, der auch internationalen
Ansprüchen gerecht wird. Die Mischung
aus Bistro, Cocktailbar, Biergarten und
italienischem Restaurant wurden nicht
nur von der Kirchheimer Bevölkerung
sehr gut angenommen.
Die großzügig gestaltete Bar und die gemütliche Atmosphäre im Bistrobereich, die durch klassische Möblierung und Kunstwerke an den Wänden geschaffen wird, laden zum Verweilen ein. Dafür stehen den Gästen im Erdgeschoss 70 Sitzplätze zur Verfügung.
Hauptanziehungspunkt ist natürlich in
der wärmeren Jahreszeit der Biergarten.
Unter dem schattenspendenden Magnoli-
enbaum und unter der extra angefertigten
Beschirmung, die auch ein paar Regen-
tropfen verkraftet, haben bis zu 240 Per-
sonen Platz.
Dem Ambiente, Bekanntheitsgrad seiner
Lage und dem bunt gemischten Publikum
konnte sich Daniel Rau nach kurzer ~
Einarbeitungszeit nicht mehr entziehen. Und so sagte er dem Metzgerhandwerk
und dem Gesellenleben nach fünf Jahre
Lebewohl, um sich fortan mit Erfolg ganz
auf die Gastronomie zu konzentrieren.
Das ist nunmehr 20 Jahre her. Nachdem
der Mitbegründer und Geschäftsführer
des alten Wachthauses, Heinz Maurer, in
den wohlverdienten Ruhestand ging~
übernahm er den gesamten Aufgaben-
bereich.
Daniel Rau lebt in einer festen Partner-
schaft mit seiner Freundin Jasmin, die
sich, wenn Not am Mann ist, ebenfalls in
die Arbeitswelt des Alten Wachhauses mit
einbringt. Der rund 14-stündige Arbeitstag
beginnt für Rau um 10 Uhr: „Der gute und
gewachsene Kontakt zu unseren Kunden
lässt sehr schnell den großen Zeitauf-
wand vergessen und entschädigt für den
teilweise stressigen Tag.“ Für 2006
wünscht sich der Hobby-Kicker einen
Aufschwung für die Wirtschaft und
Gastronomie, Er ist sicher, dass die
bevorstehende Fußball-WM hier ihren
Beitrag leisten wird.
Bericht des Teckboten Anfang des Jahres 2006